Im letzten Blog Artikel haben wir uns mit der Frage beschäftigt, warum Eltern trotz bester Absichten ihre Kinder verletzen können und wie der Umgang mit Schuld und Verantwortung gestaltet werden kann. Ein weiteres wichtiges Thema im Elternsein ist der Balanceakt zwischen Nähe und gesunder Abgrenzung. Denn Bindung braucht Verbindung, aber auch Raum für eigene Bedürfnisse.
Vor allem Frauen und Mutter spüren oft lange nicht, dass sie regelmäßig über ihre eigene Grenzen gehen, während sie eigentlich dringend eine Pause benötigen. Die Gesellschaft respektive das Patriarchat hat ihnen vermittelt, dass Care Work ihre Aufgabe sei, bei der eigene Bedürfnisse kaum bis gar keine Rolle spielen. Somit sind es meistens die Frauen die sich um die Kinder, um die Familie, um den Haushalt und die Bedürfnisse aller, außer ihrer eigenen, kümmern. Weil sie daran gewöhnt sind, weil es von ihnen erwartet wird und weil es ja sonst auch häufig niemand macht. Die Folgen sind oftmals Erschöpfung, Überforderung, Frustration und Wut, welche vor allem die Kinder zu Unrecht zu spüren bekommen.
Wann ist es Zeit, sich abzugrenzen? Wie gelingt dies, ohne in einen inneren Konflikt zu geraten, für die Kinder da sein zu wollen ohne sich selbst zu verlieren? Und wie gelingt Abgrenzung ohne das Kind emotional zurückzuweisen?
Bindung ist nicht gleich Aufopferung
Kinder brauchen für eine stabile Bindung emotionale Sicherheit, Zuwendung, Aufmerksamkeit und ein verlässliches Gegenüber.
Stabile Bindung entsteht jedoch nicht durch Selbstaufgabe, sondern durch Authentizität. Kinder profitieren von Eltern bzw. Müttern die sich selbst gut regulieren können, die sich erlauben Nein zu sagen und die ihre Grenzen mit Wärme statt Härte kommunizieren.
Abgrenzung als liebevolle Haltung
Abgrenzung ist kein Mangel an Liebe, sondern eine Form der Selbstliebe. Wer sich abgrenzt, schützt die Beziehung langfristig. Denn Eltern bzw. Mütter, die gut für sich sorgen, sind präsenter, klarer und ausgeglichener.
Abgrenzung heißt nicht, sich zu entziehen. Es bedeutet: Ich bin für dich da und ich bin auch für mich da. Ich achte deine Gefühle und Bedürfnisse uns ich achte auch auf meine eigenen.
Ein Kind lernt durch elterliche Abgrenzung, dass Beziehungen aus zwei Seiten bestehen und dass alle das Recht haben Bedürfnisse zu äußern.
Der Körper als Kompass
Oft spüren Mütter ihre Grenzen erst, wenn sie sich körperlich bemerkbar machen: Verspannung, Frustration, Schlafprobleme, das Gefühl, keinen Raum mehr zu haben. Diese Signale ernst zu nehmen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Achtsamkeit sich selbst gegenüber. Mütter dürfen lernen, auf diese inneren Impulse zu hören und sie zu kommunizieren. Etwa so:
“Ich merke gerade, dass ich müde bin. Ich brauche eine Pause, dann bin ich wieder ganz für dich da.” Ich sehe, dass du traurig bist. Ich bin bei dir und gleichzeitig brauche ich einen Moment, um gut für mich zu sorgen.
Modell für gesunde Beziehungen
Wenn Kinder erleben, dass Mütter sich selbst nicht vergessen, lernen sie etwas sehr Wertvolles: Selbstfürsorge ist kein Egoismus. Grenzen sind kein Liebesentzug.
Beides ist Teil einer gesunden, lebendigen Beziehung.
Das Zusammenspiel von Nähe und Abgrenzung prägt auch, wie Kinder später mit sich selbst und anderen umgehen.
Fazit: Verbunden bleiben – mit sich und dem Kind
Bindung und Abgrenzung sind keine Gegensätze. Sie gehören zusammen. Eltern bzw. Mütter dürfen lernen, beides zu sein: Mitfühlend mit dem Kind und mit sich selbst.
Denn eine gesunde Beziehung braucht nicht ständige Verfügbarkeit, sondern Authentizität und Echtheit. Wenn wir diese Balance üben, entsteht ein Raum, in dem sich beide entfalten dürfen. Das Kind und die Eltern bzw. die Mutter selbst.